
Wie steht es gerade um die Auflösung von 3sat und die Eingliederung in Arte?
Das ist eine Frage, die vor allem die Rundfunkpolitiker beantworten müssen. Klar ist, dass es eine stärkere Zusammenarbeit geben soll. Wird das eine Fusion oder nur eine Zusammenarbeit in einzelnen Programmen? Das kann ich ganz schwer sagen. Für mich persönlich als Journalistin und als Vertreterin von Arte ist natürlich wichtig zu sagen, je mehr Diversität es in den Medien gibt, umso besser. 3sat ist ein super Sender mit einem hervorragenden Programm. Wir würden es gerne sehen, dass dieser weiter besteht, aber wir sind natürlich für jede Zusammenarbeit willig. Unser eigenes Programm ist im Moment überhaupt nicht infrage gestellt. Das ist natürlich für mich persönlich erstmal das Wichtigste.
Sehen Sie 3sat noch als einen Konkurrenten von Arte?
Nein, als Konkurrent haben wir 3sat nie betrachtet, sondern als Partner. Das ist ein Sender, der auch grenzüberschreitend arbeitet, der auch einen Schwerpunkt auf Kultur legt. Aber ich glaube, wir haben uns immer gut ergänzt und auch gut ausgetauscht.
Sie haben im Panel angesprochen, dass grenzüberschreitende Medien ein zusätzliches Angebot seien und nicht die Regionalmedien ersetzen sollen. Könnte man erstere als ein Luxusgut bezeichnen, das vielleicht weniger Relevanz hat als die nationalen Sender?
Luxus, das hört sich an wie, “darauf kann man verzichten”. Also ich würde sagen, immer weniger, weil die Themen, die wir behandeln - Europa und die Welt, in einem Ansatz, der analytisch erklärend ist -, immer wichtiger werden. Wir sind in den letzten Jahren an dieser Rolle, ergänzend zu den nationalen Medien zu sein, gewachsen. Wir haben festgestellt, dass unsere Zuschauer - oder unsere “User”, wie man jetzt sagt, weil wir sind auch auf diversen digitalen Plattformen unterwegs -, genau das suchen und in ihren nationalen Sendern eben nicht mehr finden. Und insofern glaube ich, dass wir eine ganz wichtige Rolle ausfüllen und die betrachte ich nicht als Luxus, sondern als absolut notwendig.
Inwiefern glauben Sie ist lineares Fernsehen am Aussterben? Wie kann Arte sich dagegen rüsten, jetzt eben auch digital aufgestellt zu sein und mit den anderen Streaming-Plattformen mitzuhalten, gerade auch im Filmbereich?
Alle digitalen Plattformen werden immer wichtiger für uns, für alle Medien. Aber Arte hat diesen Zug relativ früh gesehen und ist aufgesprungen - mit diversen neuen innovativen Formaten und eben auch strategisch mit einer immer größeren Plattformisierung, wie man sagt. Unsere Inhalte sind auf diversen Plattformen, nicht nur auf unseren eigenen digitalen, sondern auch auf diversen sozialen Netzwerken. Wir sind auch auf YouTube und finden dort ein völlig neues internationales Publikum, das wir so als Sender nicht hatten.
Das lineare Fernsehen besteht noch, aber die Kurve geht runter. Die digitale Kurve geht rauf. Das ist nur eine Frage der Zeit, und wir stellen uns darauf ein. In unserem strategischen Plan ist das schon so vorgezeichnet in den nächsten Jahren. Schritt für Schritt verstärken wir die digitalen Wege und ich möchte nicht sagen, wir bauen das Fernsehen ab, aber die editoriale Aufmerksamkeit und das Gewicht des Budgets geht immer mehr auf das Digitale.
Was könnten Angebote in der Zukunft sein? Gibt es da vielleicht schon neuere Vorstellungen, von denen die UserInnen noch gar nicht so viel mitbekommen? Gibt es Innovationen in dieser Hinsicht?
Wir fahren zweigleisig. Zum einen übernehmen wir alle Inhalte, die wir für das Fernsehen produzieren. Die findet man natürlich auch auf den digitalen Plattformen wieder. Und diese Formate finden, wie gesagt, ein völlig neues Publikum. Also, ich nehme mal das Beispiel von le Reportage, ein Reportagemagazin mit Reportagen, die zwischen 25 und 50 Minuten lang sind, also relativ lang. Die finden auf YouTube ein bis zu Millionen Publikum, was sie im Fernsehen gar nicht so hatten. Das ist die eine Schiene.
Die andere Schiene ist, dass wir neue Formate probieren und produzieren, die eben nur speziell für bestimmte digitale Plattformen produziert werden. Also z.B. haben wir jetzt in der Info, also im Newsbereich, in meinem Bereich, einen eigenen Instagram-Kanal eröffnet mit Newsformaten, die sich wirklich an ein junges Publikum richten, wo wir versuchen, eine Frage in anderthalb Minuten zu erklären.
Es geht um die europäische Kommission, aber es geht auch um Cannabislegalisierung, viel um Umweltthemen. Wir sprechen auch über den European Song Contest aus politischer Sicht. Also, wir versuchen Themen anzusprechen, die gerade die jungen Leute interessieren und das in einer Form und in einem Format, das wir natürlich so nie produziert hätten fürs Fernsehen, sondern das wirklich für, in diesem Fall Instagram beziehungsweise soziale Netzwerke, gedacht ist.
Ist Mehrsprachigkeit immer noch wichtig? Man könnte auch einfach alles in Englisch machen?
Diese Frage lag tatsächlich mal auf dem Tisch und Arte. Englisch, die lingua franca, oder die einzelnen nationalen Sprachen? Arte hat sich dann für den, wir nennen das den territorialen Ansatz entschieden, mit der Überzeugung, dass wir die Menschen am besten erreichen, indem wir sie in ihrer Muttersprache ansprechen. Wir haben jetzt neben Deutsch und Französisch vier offizielle Arte-Sprachen: Polnisch, Spanisch, Italienisch und Englisch. Wir erreichen damit schon 70 % der Europäer in ihrer eigenen Muttersprache.
Und das werden wir ausbauen. Verschiedene Programme von Arte werden jetzt schon in weitere zusätzliche Sprachen übersetzt. Wir bei Arte glauben, dass wir damit nicht nur mehr Leute erreichen, sondern sie auch besser erreichen. Es geht hier um Identität, es geht auch um Emotionen. Sprache ist etwas sehr, sehr sensibles und da legen wir großen Wert darauf. Das ist ein ganz, ganz großes Anliegen und auch ein großes Budget von Arte, das wir hier rein investieren.
Das heißt, dass Englisch bei den Leuten immer noch nicht so gut ankommt als die Nationalsprache?
Ja, ich glaube, dass Englisch für bestimmte Inhalte funktioniert, wenn man über News spricht oder über bestimmte Erklärformate. Das spricht ein Publikum an, das sich sehr wohl fühlt im Englischen und damit zurechtkommt. Aber wenn wir dann über andere Formate sprechen, die komplizierter sind, oder über Kulturformate oder über lange Reportagen, wo es auch oft sehr menschlich wird, dann dann muss man auch die Seele der Menschen treffen und das tut man mehr in ihrer Muttersprache.
Wie groß ist die Rolle von KI mittlerweile bei Arte?
KI wird gerade in der Übersetzung eine Wahnsinnsrolle spielen. Und das entwickelt sich sehr, sehr schnell. Die Qualität der Übersetzung wird immer besser. Nichtsdestotrotz sind wir wahnsinnig vorsichtig damit, weil jedes falsch übersetzte Wort kann großen Schaden anrichten, auch Vertrauensschaden. Insofern haben wir immer einen Gegenleser mit im Boot und gehen vorsichtig vor mit einzelnen Tests.
Ein Beispiel ist unser europäisches Wochenformat Arte Europe Weekly. Das wird in inzwischen acht Sprachen übersetzt und bei bestimmten Sprachen testen wir im ersten Schritt eine KI-Übersetzung, die dann natürlich gegengelesen wird. Da haben wir sehr im Moment noch unterschiedliche Resultate. Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, auch Italienisch funktioniert relativ gut. Wenn ich jetzt in die kleineren Sprachen gehe, Griechisch, Rumänisch, Ungarisch, da wird es schon schwieriger.
Also im Moment ist es so, dass der Gegenleser im Grunde noch genauso viel Zeit mit dem Gegenlesen und Korrigieren verbringt wie mit der eigenen Übersetzung. Aber wir sind überzeugt, dass es sehr schnell gehen wird und von daher wollen wird den Zug mitnehmen und wir sind dran. Aber was uns am allerwichtigsten ist, ist, dass wir die Qualität garantieren. Das heißt, bei uns wird immer ein “human in the loop” sein, wie man sagt.
Ein anderes Thema: Wie sehen Sie die österreichisch-französische Beziehung? Haben Sie da Erfahrung damit?
Also meine Erfahrung ist vor allem, dass Franzosen nicht viel Ahnung haben von Österreich. Das ist jetzt ganz schlimm, was ich sage, aber für die Franzosen ist Österreich so ein bisschen wie ein Annex von Deutschland. Das heißt, das betrachten wir auch als eine unserer Aufgaben, dass wir Österreich als eigenes Land mit eigenen Interessen und eigenen Problemen darstellen. Und das gehört zu den schönen Aufgaben von Arte Journal dazu, dass wir eben gerade solche Länder, die wenig miteinander zu tun haben, in Kontakt setzen.
Und ich glaube, es gibt viele Themen in Österreich, die die Franzosen sehr ansprechen. Auch in Österreich ist zurzeit eine politische Krise, auch in Österreich muss sich das Parteiensystem neu aufstellen. Auch in Österreich gibt es die große Immigrationsdebatte und über solche gemeinsamen Themen versuchen wir, das näher an die Franzosen ranzubringen.
Das heißt für Sie ist Österreich dann schon noch mal eigenständig und gehört nicht unbedingt zu Deutschland dazu, dann auch von der Themengestaltung her?
Absolut, um Gottes willen, ja. Das ist sogar total wichtig und wir betrachten es als unsere Aufgabe die speziellen Österreich-Problematiken aufzuzeigen und dazu dann auch Österreicher zu befragen und nicht Kommentatoren aus Deutschland.
Eine letzte Frage: Warum sollte man heutzutage noch Französisch lernen?
Das ist eine sehr gute Frage. Weil es ein ganz tolles Land ist, mit einer Hochkultur, wahnsinnig netten Menschen. Und jetzt komme ich noch mal zurück auf die Emotionalität einer Sprache. Richtig ansprechen und richtig kennenlernen, tut man jemanden nur in seiner Muttersprache. Von daher: Jeder, der sich für Frankreich interessiert, und das sollte man, sollte dann auch die Sprache lernen.
Vielen Dank.
Merci beaucoup.
Redaktion: Viktoria Gleirscher
Kategorie: Interview
Datum: 07.12.2024
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